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Das Rückgrat der Nacht

Das Rückgrat der Nacht

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Sighard Schraebler


Free Account, Frankfurt am Main

Das Rückgrat der Nacht

Bin noch mal mit Pixinsight heran gegangen und habe in Curves für mittlere Helligkeiten den Parameter CIE c* angehoben. Ansonsten kann ich nur immer wieder staunen, wie unglaublich einfach man solche Aufnahmen machen kann, wenn nur die Lichter der Zivilisation weit weg sind und die Milchstraße sich majestätisch von einem Horizont bis zum anderen erstreckt: Nachführung ins Feld stellen, gemäß dem Prinzip ungefähr da ist Süden, Einzelbelichtungszeit 5 Minuten, genau so lange für den Dunkelbildabzug, Reihenbildbelichtung, nach einer Stunde wieder kommen und Akku wechseln, nach einer weiteren Stunde den inzwischen geladenen Akku wieder einbauen, nach noch einer Stunde mit der Elektrolumineszenz-Lampe ein paar Flats belichten, dann alles in die Auswertung stecken und staunen.

Der direkte Blick auf das Zentrum ist uns im sichtbaren Licht verstellt durch die Beiprodukte der Sternentstehung. Aus diesen Elementen, schwerer als Wasserstoff und Helium, bestehen auch wir, genau wie die feste Erde, auf der wir leben. Man kann auf dem Bild sogar erkennen, dass unsere Heimatgalaxie eine Balkenspirale mit innerem Ring ist, an dem zwei gespaltene Spiralarme ansetzen. Genau zwischen zwei gespaltenen Armen steht unsere Sonne mit Planetensystem, gut geschützt vor eventuellen Supernova-Ausbrüchen benachbarter, massiver Sterne. Links im Bild ist ein heller Blop, die Schildwolke, rechts, etwa gleich weit vom Zentrum entfernt, die sogenannte Norma-Sternwolke. Beides sind Teile einer umlaufenden Ringstruktur, auf die wir hier von der Seite aus senkrecht in die Tiefe reichend sehen, daher die hohe Sterndichte. Bis hierhin reicht der Balken, danach kommen die Spiralarme. Als Vergleich darf unsere Schwestergalaxie NGC6744 als Anblick von außen gelten. Wir finden die gleichen Strukturen, bis hin zu einer störenden Kleingalaxie ähnlich den Magellan'schen Wolken, die zu dieser Spiralstruktur beiträgt, sie anregt und verstärkt.

Über den CIELAB Farbraum:
http://de.wikipedia.org/wiki/Lab-Farbraum http://pixinsight.com/doc/tools/CurvesTransformation/CurvesTransformation.html http://www.hunterlab.com/appnotes/an09_96a.pdf
Ausschnitte der Sternwolken zeigt diese Veröffentlichung:
http://www.waa.at/bericht/2002/07/namibia/api_fot/gallery.html
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Zwischen den sehr jungen Galaxien mit hoher Rate an Sternentstehung, dabei vielen blauen Sternen und den sehr alten Galaxien mit vielen roten Sternen ist unsere Galaxis anzusiedeln, ausgestattet mit moderat viel Treibstoff für die Bildung neuer Sterne. Im Licht von Milliarden von Sonnen entsteht eine Mischung von Grün, die man für einen Stern alleine nicht als physikalisch richtig empfindet, denn in den Glühfarben von heißem Eisen, nicht sehr unterschiedlich von der Strahlung eines schwarzen Körpers, gibt es kein Grün. Genau so wenig gibt es grüne Sterne. Jedoch im Summenlicht von Milliarden Sternen, betrachtet durch dünne Lagen absorbierenden Gases entsteht diese charakteristische Mischung von Grün bis Beige.

Leute, wenn das kein überzeugendes Argument für Astrofotografie in Namibia ist: Solch einen Himmel gibt es in Europa nicht, und wenn es ihn gibt, dann steht niemals nie so wie hier gezeigt, die Milchstrasse hoch im Zenit, so dass man einfach nur ein Fisheye nach oben richtet und sagenhafte fünf Minuten belichtet (ISO 800, f/3.5), *ohne* daß das Bild komplett ausbrennt im Licht der Zivilisation. Das südliche Hochland Namibias ist einer der Orte, die man getrost zu den Besten der Welt zählen darf, so etwas wie dies hier geht fast nirgends mehr auf dieser Welt, vielleicht noch in den Hochebenen der chilenischen Atacama oder im Outback Australiens. Afrika ist in der Nacht ein wahrhaft schwarzer Kontinent - zumindest im Süden. Man sieht von Hakos aus am Horizont gerade einmal das Glimmen der 120km entfernten Stadt Windhuk und es ist dabei noch schwächer als das Zodiakallicht, also das wenige Sonnenlicht, das Staub im Sonnensystem innerhalb der Ekliptik, also der Hauptebene unseres Sonnensystems, zurück zur Erde reflektiert.

Aufnahme mit AstroTrac Nachführung, EOS20Da und Fisheye-Optik 15mm f/3.5, 16x5min belichtet mit Empfindlichkeit ISO 800, automatischer Dunkelbildabzug, Hellbild-Korrektur mittels EL-Flats, CR2-Rohbildverarbeitung in DSS, korrelierte Addition in Registar Demo und ein Screenshot vom Ergebnis, Nachverarbeitung in PixInsight. Farm Hakos / Namibia, im Mai 2011.

LG Sighard

P.S.: Mir fällt nachträglich noch etwas auf: In der Mitte des unteren Bildrandes ragt die Sagittarius-Zwerggalaxie ins Bild. Man sieht sie normal nicht, weil sie vor dem Meer aus Sternen der Michstraße fast verschwindet, jedoch fällt sie durch ihren höheren Gasgehalt auf. Die Sagittarius-Zwerggalaxie ist die nächste bekannte Nachbargalaxie, mit nur 70000 Lichtjahren gerade einmal halb so weit entfernt wie die Magellan'schen Wolken. Der folgende Link ist besonders interessant, weil er ein Java-Applet enthält, mit dem man simulieren kann, wie solch eine kleine Galaxie durch Reibung an der größeren der Sterne beraubt, zerfetzt und einverleibt wird (500 Sterne rechnen, 1% Satellitengalaxie-Masse, Start drücken, danach kommt der große Aha-Effekt, wieso am Ende meist ein Kugelsternhaufen übrig bleibt):

http://burro.astr.cwru.edu/JavaLab/cannibal/CannibalMain.html http://en.wikipedia.org/wiki/Sagittarius_Dwarf_Elliptical_Galaxy

Das Zentrum
Das Zentrum
Sighard Schraebler
Die Zwillings-Schwester der Milchstraße
Die Zwillings-Schwester der Milchstraße
Sighard Schraebler

Comentarios 6

  • Rudolf Dobesberger 13/01/2012 19:49

    Hallo Sighard!
    Fast den identischen Bildauschnitt hab ich auch gerade verarbeitet und mich mit etwas Wehmut an diesen sagenhaften Sternenhimmel erinnert. Wunderschöner informativer Text und links wie immer von dir.

    GLG Rudi
  • Sighard Schraebler 03/01/2012 0:16

    Danke Euch, es ist eine Reise wert. Wenn nicht wegen des Himmels, dann wegen der Landschaft, der Tiere und der Leute. Bei den Farmern ist es ein bisschen so wie hier, aber mit viel mehr Pioniergeist. Die bauen sich ein Gurkenglas an den Motor und führen Abgase in das mit Altöl gefüllte Glas, um Sprit zu sparen. Wenn einer hier mit so etwas was zum TÜV kommt, die würden einen Lachanfall bekommen und sterben. Da unten ist es lebenswichtig, zu wissen, wie man ein Windrad, eine Wasserpumpe und einen Automotor repariert, wie man kocht, ein Haus baut und Vieh züchtet, wie man jagt, erste Hilfe leistet oder einen Kran bedient. Die können das alles, das ist da normal.
    LG Sighard
  • Nicole Wehle 02/01/2012 19:37

    Super Foto einfach spitzenmäßig. Zum Glück muss man nicht unbedingt nach Namibia um ein schönes Bild von der Milchstraße zu bekommen. ;) Aber trotzdem Daumen hoch!

    Grüße
    Nicole
  • Helmut Herbel 02/01/2012 8:06

    Ein super schönes Bild der Milchstrasse, Sighard, macht wirklich große Lust nach Namibia. Und die tolle Erklärungen dazu sind wieder das Gelbe vom Ei ! Danke !

    LG Helmut
  • Mayr Bernd 02/01/2012 3:57

    Hallo Sighard, traumhaftes Milchstraßenbild das sehnt man sich nach Namibia.
    Lg Bernhard
  • Sighard Schraebler 01/01/2012 23:32

    Man kann den Flughafen als ein Problem sehen, weil er so viel Licht und Krach verbreitet, oder man kann ihn als eine Lösung begreifen, weil der gute Himmel nur ein Flugsegment entfernt ist. Diese Idee hat natürlich einen gewaltigen Haken: Eigentlich möchte man so einen Himmel für daheim und trotzdem noch Arbeit und Infrastruktur und Kultur in der Nähe haben. Ein echter Zielkonflikt. Was darf's denn sein? Zivilisation oder Natur? Und viel schlimmer noch: Die CO2-Bilanz dieser Reise-Idee ist verheerend. Darüber muss man sich klar sein. Als Buschmann hat man diesen Anblick fast jede Nacht. Allerdings ist mir noch kein Buschmann begegnet, der Astrofotografie betreibt :_) Für die San-Buschleute, das sind die mit dieser Schnalzlaut-Sprache aus dem Film, die Götter müssen verrückt sein, hat die Milchstraße eine Funktion: Sie sorgt dafür, dass uns der Himmel nicht auf den Kopf fällt, die gallische Angst von Asterix und Obelix. Wie das Rückgrat eines großen Tieres stützt sie das Firmament. Eine Vorstellung voller Phantasie und zugleich am Anfang einer wissenschaftlichen Sichtweise, denn der Himmel ist nicht voller Götter, sondern kann erklärt werden, wenn auch aus heutiger Sicht nicht ganz treffend.

    LG Sighard