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Olaf Rocksien


Premium (Pro), im Norden

der Pessiomist

DER PESSIOMIST

(oder: Gedanken eines alternden Buddhas in tiefer Versenkung)

„Die Welt ist schön!“
„Ist sie nicht!!“
„Oh doch - ich sagte: sie ist schön!!!“
„Nein, Sie irren - sie ist es nämlich nicht.....“

So oder ähnlich zog sich der Dialog wohl noch eine ganze Weile hin. Es war ein ebenso nutzloser wie verzichtbarer, denn bei beiden beteiligten Parteien handelte es sich um nicht weniger als ein- und dieselbe Person. Und Hubert, um den es sich hier letztlich drehte, konnte nicht umhin ständig uneins mit sich zu sein. So hatte er sich, ganz ähnlich einigen bedauernswerten Geschöpfen in unseren heilenden Reparaturwerkstätten des Geistes, in eine leichte und unbedenkliche Form der Schizophrenie geflüchtet, die sich einzig dieses einen Themas bemächtigte.
Niemals in seinem bisherigen Leben hatte er sich zu entscheiden vermocht, ob „Glück“ mehr als nur die Summe angenehmer Kleinigkeiten bedeuten könne oder ob angesichts der allemal mißlichen Lage der Welt Glück nicht schon mit der zeitlich befristeten Abwesenheit von Unglück hinreichend genug definiert sei. Oder ist es vielleicht doch in jedem Detail, in jeder Nuance des Seins bereits in seiner ganzen Pracht enthalten und ein Teil dieses Glückes ist es, dieses so unmittelbar auch erleben zu dürfen?
Kluge Menschen wissen, daß das Empfinden reinen Glückes hinreichende Kenntnisse der Polaritäten und damit das Wissen auch um die widrigen Winde des Lebens voraussetzt. Ein Zustand vermag sich erst dann auch in seiner wahren Natur, und sei es auch in jeder darin enthaltenen Mischform, zu offenbaren, wenn zumindest die Ahnung von seiner Zerbrechlichkeit und der mitunter zeitlich nur befristeten Dauer, die ihm beschieden, ebenbürtig vorhanden ist. Fehlt dies, tritt bestenfalls jene Form von Zufriedenheit an seine Stelle, die in der irrigen Annahme, daß es sich bereits um jenes wohlabgewogene und bewußt durchlebte Glücksgefühl handele, durchaus auch ungetrübten Genuß erfahren kann.
Hubert jedenfalls wußte nicht, welcher der beiden Sichtweisen seinem augenblicklichen Innern entspräche und plagte sich so seit langem mit dem Zweifel, ob in der Welt nun Glück oder Unglück überwögen. Diese Frage aber zu beantworten ist ganz und gar unmöglich und die Antwort darauf entspricht stets der jeweiligen Sicht der Dinge. Und so soll auch niemand dazu verleitet werden die Dinge anders zu sehen, als sie es zumindest für ihn ja sind. Reicht es nicht bereits, beide als Pole des Emp-findungsbarometers zu verstehen und es so jedem selbst zu überlassen, wo sein individuelles Empfinden eines dieser besagten Zustände einsetzt?! Beruhigt nicht auch das Wissen, daß Glück und Unglück niemals statisch, niemals unabdingbar und schon gar nicht vererblich sind? Statik bedeutet Stillstand bedeutet Tod. Das Leben aber fließt und läßt neue Möglichkeiten entstehen oder den Wandel alter zu.

So also stellt sich die Frage, ob das Leben nun schön sei oder nicht nicht wirklich und auch selbst dem Zaudernden nur so lange, bis er erkennt, daß es ganz allein von ihm abhängt und nur allein durch seine eigene Sichtweise bestimmt wird. „Schön“ ist die pure Existenz des Lebens zweifelsfrei und ein Glück, dieses mit all seinen inneres Wachstum ermöglichenden Facetten er-LEBEN zu dürfen. Inwiefern man es denn letztlich auch als solches empfindet, gerät schließlich in eine untergeordnete Bedeutung und Hubert ahnte, daß er, sollte er sich jemals für eine der beiden Sichtweisen entscheiden können, den Lauf der Dinge wohl kaum damit würde ändern können.
Und der war schließlich nicht schlecht, wie er schließlich grinsend befand...........

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Mahabodhi-Tempel Bodh Gaya, Bihar (Indien) Febr. 2007 - Scan vom Dia



".........." (Stille)
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Olaf Rocksien

Bodh Gaya #5
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Olaf Rocksien

Versunkenheit
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Comentarios 10

  • Tuny Hilger 19/11/2007 14:34

    top
  • Christian Fürst 19/06/2007 12:20

    ein Bild voller Understatement. lässt so viele Interpretationsmöglichkeiten zu. Der Text dazu ist wunderbar, auch wenn er vielleicht die intelektuellen Potenzial des Mönchs etwas überschätzt
  • Alfons Gellweiler 13/06/2007 20:56


    Das ist so ein Photo: farblich zurückhaltend und exzellent gestaltet; für meine Begriffe setzt Derartiges Maßstäbe !

    Grüße Alfons
  • Northern Lights 11/06/2007 18:52

    ich möchte das bild nicht kommentieren und auch nicht über das leben sinnieren, einfach nur schön das es dich gibt, olaf.
  • Heidi Roloff 11/06/2007 18:10

    Wenn man eine Vorschreiberin wie Wiebke hat, hat man's leicht und muß nur dort unterschreiben. Ich hätte es nicht treffender formulieren können.
    Herzlichst, Heidi
  • Wiebke Q-F 11/06/2007 17:32

    Wieder ein excellentes Foto. Für machst du inhaltlich die interessantesten, ausgefallesten und qualitativ hochrangigsten Indienfotos, die ich gesehen habe. Respekt. Deine gehaltvollen Texte regen zum Nachdenken an. Fotos wie Texte haben ein hohes Niveau.
    Ich freue mich auf weitere Fotos.
    LG wiebke
  • Henry Fuchs 11/06/2007 16:11

    Schönes Motiv, tja und der Rest ist wie du schon sagst die persönliche Interpretation der Dinge angepasst an den Fluss "Zeit" der dynamisch genau diese Sicht permanent verändert..Vielleicht ist "Schön" einfach nur temporär, dem subjektiven Gemütszustand zum Zeitpunkt X bis zum Zeitpunkt Y des einzelnen verhaftet, also genau bis ein anderer Gemütszustand die Lage völlig verändert... oder so.. (Bürogedanken)
    LG Henry
  • Rina H. 11/06/2007 16:01

    Wie filo-sofisch !! Und das Bild wie gewohnt - gut.
    Hast du hier einen anderen Film benutzt ? Die Farben
    wirken hier ganz anders.
    LG
  • Juliane Eckhold 11/06/2007 16:01

    Ein Motiv, das sehr viel Ruhe ausstrahlt und einen fast zur optimistischen Variante verleitet. Doch ist die Aussage "schön" oder "nicht schön" an viele Faktoren und Einflüsse gebunden, wie Du schon so treffend und ausführlich schriebst. Jeden Moment kann es halt schon wieder anders sein.
    lieben Gruß, Juliane
  • Dream Cherry 11/06/2007 15:52

    klasse aufnahme.
    schöner schnitt + farben.

    gefällt mir sehr gut.
    schöne arbeit.

    lg cherry