Gewöhnliche Tapezierspinne (Atypus affinis)
Die einzigen Vogelspinnenverwandten Mitteleuropas sind die drei Arten der Gattung Atypus, von denen die Gewöhnliche Tapezierspinne (A. affinis) die häufigste und am weitesten nördlich verbreitete ist. Erkennbar sind sie an den nach vorn gerichteten Kieferklauen (orthognathe Cheliceren) aus, während die der Echten Webspinnen senkrecht nach unten gestellt sind.
Die Tapezierspinne lebt in trockenen, sandigen, oft hängigen Calluna- und Ginster-Heiden, meistens mit Kiefer und Eiche locker bewaldeten Habitaten; das Areal umfasst das gemäßigte Europa von Südskandinavien bis nach Nordafrika und vom Atlantik bis in die Ukraine. Die beiden anderen Arten, A. piceus und A. muralis, bevorzugen kontinentaleres Klima und sind auf eine ständige Offenhaltung ihrer Habitate, etwa durch Beweidung, angewiesen. Während deren Bestände durch Sukzession und durch die Versauerung der Landschaft gefährdet sind, scheint sich A. affinis davon eher unbeeindruckt zu zeigen. In der aktuellen Roten Liste (2016) wird eine Vorwarnung ausgesprochen; damit hat sich ihr Gefährdungsstatus verbessert (vormals gefährdet).
Das Weibchen gräbt eine bis zu 50 cm tiefe Röhre in den locker-sandigen Boden, die innen mit Seide ausgekleidet – „tapeziert“ – wird. Oberirdisch endet die Röhre in einem ca. 10-15 cm langen, fingerdicken Fangschlauch, der außen mit Bodenpartikeln gut getarnt wird und der zwischen der Bodenstreu nur sehr schwer auszumachen ist. Nachts hält sich die Spinne in diesem Teil des Schlauchs auf und lauert auf kleine Gliederfüßer, die sie nach der Berührung des Schlauches blitzartig ergreift und in die Röhre zerrt. Anschließend flickt sie das Loch wieder. Auf den ersten Blick mag die Fangmethode nicht sonderlich effizient erscheinen, sie kann aber als eine besondere Anpassung an das Leben und den Beutefang unter einer Schneedecke gedeutet werden.
Die Seide ist antibakteriell und verfault nicht, man kann sie unversehrt noch Jahrzehnte später am Ort ihrer Entstehung finden.
Das Weibchen verlässt die Röhre zeitlebens nicht, Männchen findet man gelegentlich, wenn sie auf der Suche nach einer Geschlechtspartnerin sind. Beide Geschlechter werden meistens im dritten Lebensjahr reif, bis dahin bauen auch die Männchen noch Röhren und „tapezieren“ sie. Weibchen können bis zu 10 Jahre alt werden, Männchen sterben deutlich früher, oft nach der ersten (und damit einzigen) Paarung, werden aber vom Weibchen nicht getötet oder gefressen. Die Paarung findet in der Röhre des Weibchens statt, bei der Gewöhnlichen Tapezierspinne im Frühjahr und/oder im Herbst, bei den anderen beiden Arten im Hochsommer. Auch bei der Paarung im Herbst legt die Spinne die Eier erst im folgenden Sommer und verspinnt sie in einem Kokon im Innern der Röhre. Es folgt noch eine Überwinterung, nach der die Jungspinnen im zweiten Häutungsstadium die mütterliche Röhre verlassen und sich auf die Suche nach geeigneten Plätzen für eigene Röhren zu begeben.
Das fast erwachsene Weibchen fand ich auf den Altwarper Binnendünen, nahm es mit zur Bestimmung (d.h. zur Unterscheidung von der Pechschwarzen Tapezierspinne A. piceus, die in M-V bislang nur auf der Greifswalder Oie gefunden wurde) und zum Fotografieren. Das Bild ist durch das Stacking von 20 Einzelbildern entstanden. Nach dem ersten Fund für dieses Gebiet haben die Mitarbeiter der dortigen Naturpark-Verwaltung bei der Nachsuche etwa 150 Fangschläuche gefunden.
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