Griechische Landschildkröte verschlingt eine überfahrene Schlange
Die Griechische Landschildkröte (Testudo hermanni) ist üblicherweise Pflanzenfresser ohne irgendeine Spezialisierung. Ich halte es zwar für nicht ganz gerechtfertigt, eine Beliebtheitsskala aufzustellen, wie man es hier und da lesen kann, denn angesichts des geringen Aktionsradius‘ dürfte im Wesentlichen das, was sie frisst, durch das lokal und saisonal vorhandene Angebot bestimmt sein. Allerdings zeigt sich in vielen veröffentlichten Studien, dass Leguminosen (Hülsenfrüchtler) generell ziemlich weit vorn rangieren. Ebenfalls recht deutlich fällt der Vorzug von Blätter gegenüber den anderen Pflanzenteilen einschließlich Früchten aus. Das schließt von Bäumen herabgefallene Blätter ebenso wie bereits verrottende Pflanzenreste ein. Aus einigen Populationen liegen Beobachtungen zum Verzehr von Pilzen vor, die im Herbst öfter aufgenommen werden als im Frühjahr.
Noch immer nicht ganz geklärt ist, warum die Landschildkröten für andere Wirbeltiere giftige Pflanzen auch fressen. Eine nicht völlig unplausible Vermutung besteht darin, dass sie die Giftstoffe benötigen, um damit Salmonellen und Würmer (Bandwürmer, Nematoden) bekämpfen, für die sie empfänglich sind und auf sie empfindlich reagieren.
Um den Mineralien- und den Proteinbedarf zu decken, nehmen die Landschildkröten gelegentlich Ausscheidungen von Weide- und anderen Säugetieren (einschließlich des Menschen) auf, sowohl in frischer als auch in getrockneter Form. Für den ausgewogenen Calcium-Haushalt fressen sie auch Ca-reiche Erde (Geophagie), Schneckenschalen und Knochen. Das scheint insbesondere für heranwachsende Jungtiere und gravide (befruchtete) Weibchen zu gelten.
Selbst Aas verschmähen sie nicht, gleichgültig, in welchem Zustand es sich befindet. Die überfahrene Schlange auf einer Passstraße im Pindos-Gebirge in Griechenland erwieß sich als mundgerecht, weil sie sie einfach der Länge nach wegschlucken konnte. Was der Schlange zum Verhängnis wurde, drohte auch der Landschildkröte, so dass wir sie nach dem Shooting überreden konnten, besser die Fahrbahn zu verlassen. Dass wir ihr die Restschlange, von der sie zwangsläufig nach der Hälfte ablassen musste, hinterher getragen haben, wird ihr hoffentlich lange in dankbarer Erinnerung bleiben – schließlich kann die Griechische Landschildkröte unter günstigen Lebensumständen über 100 Jahre alt werden.
Guido Bohn 15/12/2021 19:44
Interessante Doku und Beschreibung.VG Guido
Andreas E.S. 14/12/2021 21:04
Eine seltene Beobachtung und Foto, und dazu ein ausfühliche zoologische Darlegung über die Ernährung von Tieren. Ein einfacher Hinweis darauf, dass Tiere oft sehr anpassungsfähig in ihrem Nahrungsbedarf zeigen z. B. die Stockenten, die als eigentliche Pflanzenfresser sogar kleine Fische fressen.VG Andreas