Küsten-Flachstrecker (Rhysodromus fallax) im Ampfer
Ob der Küsten-Flachstrecker (Rhysodromus fallax, syn. Philodromus fallax), gelegentlich auch als Sand-Laufspinne bezeichnet, tatsächlich sehr selten in Deutschland ist oder „nur“ sehr selten gefunden wird, ist eine spannende Frage. Die etwa 5 mm großen Tiere sind auf dem Sand extrem gut getarnt, verstecken sich tagsüber meistens in Vegetationsstrukturen oder unter angespültem, aber bereits getrocknetem Strandanwurf (Spülicht). Dort jagen sie ab der Dämmerung aktiv Insekten, deren Larven und andere Gliederfüßer; juvenile Spinnen sollen sogar in lockerem Sand grabend nach Beute suchen können. Sie betätigen sich aber wie zahlreiche andere Laufspinnen ebenso als tagaktive Laurer, die in Pflanzen auf Beute warten. Auf dem Fruchtstand des Krausen Ampfers (Rumex crispus) hätte ich sie zwar nicht gesucht, bereits im Vorbeigehen und beim flüchtigen Hinsehen ist der helle Körper auf dem dunkelroten Grund kaum zu übersehen. Ich werde auch sicher nicht der einzige sein, der diesen Kontrast sofort bemerkt – spinnenfressende Vögel könnten das wohl genauso sehen. Andererseits gibt es eine ganze Reihe Insekten, die im roten Spektralbereich des Lichts fast oder ganz blind sind, dort also keine Farbe, sondern ein Grau wahrnehmen. Für diese Tiere wäre die Spinne zwar nicht unsichtbar, könnte aber für eine einzelne, hellgelbe Blüte gehalten und dann angeflogen werden, was wiederum fatale Folgen für den Flieger haben kann (die Rosskastanie macht sich das übrigens aktiv zunutze, bei der sich die für Insekten attraktiven gelben Saftmale im Blüteninneren nach der erfolgten Bestäubung rot färben und damit nicht mehr erkannt werden).
Das Verbreitungsgebiet des Küsten-Flachstreckers verläuft über die gesamte Alte Welt, von Portugal bis nach Ostsibirien. In diesem riesigen Areal bestehen deutliche Habitatpräferenzen. Im europäischen Teil besiedelt die Spinne ausschließlich Küsten und Flussästuare auf sandigen Flächen und einigen angrenzenden Bereichen wie Salzwiesen in der gemäßigten Klimazone. Weiter nach Osten wird das Lebensraumspektrum breiter. In Zentralasien lebt sie v.a. im Binnenland an Meeren und Seen (Kaspisches Meer, Aralsee) und an Flussufern (Ob, Irtysch, Lena). Ihren nördlichsten und östlichsten Nachweis hat sie an der Tschaunbucht in Nordostsibieren oberhalb des 68. Breitengrades und damit des Polarkreises.
Über die Biologie der Art ist kaum etwas bekannt. In der aktuellen Roten Liste Deutschlands wird sie als stark gefährdet geführt, in der veralteten Roten Liste Mecklenburg-Vorpommerns als „vom Aussterben bedroht“. Tiere, die lediglich den schmalen, sandigen Küstenstreifen besiedeln (können) und keine Ausweichmöglichkeiten haben, sind – bis auf wenige Ausnahmen* – grundsätzlich und naturgemäß durch die intensive touristische und Freizeitnutzung des Strandes gefährdet.
*https://www.fotocommunity.de/photo/tang-kurzfluegler-cafius-xantholoma-5642-weisswolf/45782913
Peter Leicht 12/12/2021 11:16
Sehr schön eingefangen - Danke für die InfoLG Peter