LONDON BC (Before Corona) - 97 - St.Olave Hart Street - Watch House Detail
ACHTUNG !
DAS LESEN DIESES TEXTES KÖNNTE IHRE WERTE UND GEFÜHLE VERLETZEN !
Ist das Bewahren der Totenruhe ein unbedingtes Muss?
"Welch eine Frage!" sagt da jede/r, "natürlich ist es das!"
In England - wie auch in anderen Ländern Europas -
zeigt sich aber seit der Renaissance ein Dilemma.
Die Kirche verbietet kategorisch das Obduzieren von Leichen
und den Medizinern bleiben damit wirkliche anatomische Kenntnisse verwehrt.
Die Ärzte könnten also durchaus besser behandeln und mehr Leben retten,
werden aber durch eine religiöse Maxime gehindert.
Allerdings - Mutter Kirche bietet ein Schlupfloch an.
Hingerichtete Straftäter - ewige Verdammnis ist ihnen ohnehin gewiss -
werden zur Obduktion freigegeben. Problem gelöst? Nein, nur verlagert -
medizinischer Fortschritt bleibt damit gekoppelt an die Zahl der Hinrichtungen...
Damit beginnt in London [ab dem 17.Jahrhundert] die Zeit
der Leichenräuber, der "body snatcher", aus den Slums und Armenvierteln.
Zwei Faktoren begünstigen ihr Treiben: Die Ärzte in den Krankenhäusern
warten ungeduldig und zahlen gut. Und wer tatsächlich mal erwischt wird,
kommt mit einer milden Strafe davon. Quasi wegen einer Ordnungswidrigkeit.
Unglaublich, aber wahr.
Die Pfarrgemeinden gehen in dieser Situation das Problem pragmatisch an.
Sie errichten auf ihren Friedhöfen festgemauerte "watch houses",
bemannt mit einem "watch man", der die "body snatcher" abschrecken soll.
Aber die Praxis ist ernüchternd. Der Wächter - auf sich allein gestellt -
schläft irgendwann unweigerlich ein. Falls konfrontiert mit mehreren
body snatchern, wagt er sich klugerweise nicht aus seinem Beobachtungsposten.
(Auf dem Friedhof Bunhill Fields wird die watch hut - also kein Haus,
nur eine Hütte - samt Wärter gepackt und einfach über die Mauer geworfen!)
Schlecht bezahlt wie er ist, hat er grundsätzlich auch keine Bedenken,
mit den Leichendieben gemeinsame Sache und Kasse zu machen.
Aber das konnte doch nicht ewig so bleiben?!
Nein. 1832 beschließt das Parlament endlich den ANÁTOMY ACT.
Damit ist Obduktion legal und das body snatching findet ein Ende.
Und die watch houses? Gerade mal 10 haben "überlebt".
St.Olave Hart Street in der City ist eins von ihnen.
Sonja.A 27/06/2021 22:22
Harter Tobak :/aber die Herzchen-Nasen schon wieder irgendwie nett :)
Lg von Oma zu Opa
B.Hermann 21/06/2021 15:57
Wieder eine lehrreiche und unterhaltsame Geschichtsstunde.VG Bernd
Irene und Nadine 20/06/2021 21:32
Toller Beitrag, gefällt uns!LG Irene und Nadine
Tassos Kitsakis 20/06/2021 18:09
Gute Darstellung in der graphischen Bearbeitung. Passt zum Motiv.Gruss
Tassos
s. monreal 19/06/2021 19:00
Vielen Dank für Info und Bild. Wieder sehr gut!VG Stephan
andreas eggstein 19/06/2021 0:47
Ohne deinen Text vorher gelesen ...... zu haben -
sollte ich nicht ...
... kommentieren !!!
Bevor ich den "Button" drückte ...
... glücklicherweise -
doch zuerst ...
... DEN Text gelesen !!!
Denn DAS ...
... lieber "wagner-werwiewas" -
wäre auch wieder ein Thema ...
... für ein Vier-Augen-Gespräch -
mein lieber Dieter ;-)
LG Andi
Wilfried Pflüger 19/06/2021 0:05
Wieder ein starkes London BC Duo. Bild undText.VG Wilfried
Fielmann76 18/06/2021 22:54
Das Motiv gefällt mir und die Bea passt gut zum Thema ... das Problem der "body snatcher" war mir bekannt aber die Frage wie dem begegnet wurde war mir noch offen...danke für den schönen Text zum Bild!BG Stefan
Stefan Strobl 18/06/2021 21:14
So wandelt sich die Zeit. Damals wurden Verbrecher obduziert, heute ihre Opfer.Die krasse Bea unterstützt das bizarr gruselige Thema bestens. Frankenstein schwingt mit.
HG Stefan
Mario_MS 18/06/2021 17:41
Sehr interessantes und spannendes Hintergrundwissen über die Leichenräuber, das du uns heute präsentierst! Die englische Schriftstellerin Mary Shelley und der Schotte Robert Louis Stevenson haben hierüber wundervolle Horrorgeschichten geschrieben. Das Diebesgut ist sicherlich irgendwann später auch mal in deinem Old Operating Theatre - Southwark gelandet? Oder haben die nur an lebendem Material hantiert? Du kennst ja meinen leicht morbiden Geschmack ;-)) Deshalb muss ich zu der Fotografie nichts sagen. Viele Grüße MarioTorsten TBüttner 18/06/2021 17:09
spannendes morbides MotivIch 18/06/2021 16:55
....man lernt nie aus......VG Norbert
Ca 500000 m 18/06/2021 16:50
Es gibt ja diese beiden feinen britischen Autoren Edgar Wallace und Francis Durbridge und noch ein paar andere. Jetzt gibt es einen mehr: Sir D. Triple-W mit seinem neuen Sakralkrimiserie "Bones Hunter", dein Titelbild dazu hast du gerade vorgestellt :-)Die Kirch is ja dem heiligen dicken Olaf geweiht, der war Winkinger, hat um 1000 AC (jetzt wieder Cristi) in der Gegend rumgeplünder, liess sich taufen, man weiss ja nie wofür es gut ist, und das wichtigste als Wikinger musst du nach Walhalla und das geht nur komplett. Wie Römische Kirche so ist, der Part mit dem kompletten Körper nehmen wir mit, zinnobern und weihräuchern etwas und dann passt das ins Kirchenbild.
Das mit den Verbrechern passt dann wegen der Nächstenliebe nicht so ganz, aber dafür haben wir ja das Fegefeuer, fällt also nicht auf wenn da mal eine Leiche fehlt.
Tja, jetzt brauch ich erst mal was kühles unnd muss mal über mein Nachleben nachdenken :-)
Heino
Grabinu 18/06/2021 16:47
und wieder was dazu gelernt.... wobei, war es nicht auch in anderen Ländern so ? LG Ulifrasiemue 18/06/2021 16:35
... eindrucksvoll ... das Motiv!!! ... der "Totentanz" findet immer wieder seine Zuschauer (& mittänzer!). Die Geschichte, Menschen "aufzuschneiden" und den Körper des Menschen genauer zu studieren war schon immer ein schwieriges Thema. Selbst bei allen technischen Fortschritt heutiger Tage ist unser Umgang mit dem "toten Fleisch" immer weniger Gesellschaftsfähig ... und gar aus unserem Alltag zunehmend ausgeblendet!... ich kann nur jedem empfehlen, sich die Zeit zu nehmen, Gebeinhäuser oder -höhlen aufzusuchen und sich mit seinen "Gefühlen" und Eindrücken auseinander zu setzen ;) ...
Gruß
Siegbert