"Probefahrt" in Neuhof
Es liegt in der Natur der Sache, dass bei Zügen mit vielen Fahrzeugen - und demzufolge entsprechender Länge - eher ein Defekt auftreten kann oder erkannt wird als bei kurzen Zügen. So war es auch bei einem insgesamt 624 Meter langen Zug mit 39 Schiebewandwagen, welchen ich vor einem Monat von Bebra nach Mannheim brachte: Kurz nachdem ich den Bahnhof Fulda durchfahren hatte informierte mich der Fahrdienstleiter darüber, dass bei meinem Zug starke Flachstellen festgestellt worden waren. Diese jedoch exakt zu ermitteln ist - besonders wenn der Zug aus ein und dem selben Wagentyp besteht - nicht so einfach, denn dafür müsste man die seitlich angeschriebene Wagennummer sehen/lesen und sich wirklich sicher sein, ob es jetzt dieser Wagen oder doch der davor oder dahinter ist...
Flachstellen sind Materialabtragungen an der Lauffläche der Radreifen oder Radscheiben, welche durch ein Blockieren der Räder beim Bremsen entstehen können. Neben der Geräuschbelastung durch das laute Schlagen oder Klopfen können solche Flachstellen allerdings auch bei entsprechend großem Ausmaß und längerer Fahrt gefährlich werden.
In Neuhof, dem nächsten Bahnhof auf meiner Fahrtstrecke Richtung Süden, ging es dann zur Untersuchung und Feststellung "auf die Seite". Nachdem ich den Zug auf offensichtliche optische und thermische Abweichungen kontrolliert hatte bezog ich das örtliche Rangierpersonal und den Fahrdienstleiter ein: Mithilfe einer "Probefahrt" in ein Nebengleis - welches dort in der Regel für Rangierarbeiten genutzt wird - wollte ich nun feststellen lassen, ob es irgendwo einen oder eventuell auch mehrere Wagen mit Flachstellen geben würde. Sollten diese zu groß sein könnte man den oder die Wagen hier einfacher aus dem Zug ausreihen als auf einem der Folgebahnhöfe, wo ich dann ja auch erstmal wieder "alleine" wäre und auf das Eintreffen von Personal warten müsste, welches mich bei den dann notwendigen Rangierarbeiten unterstützen müsste.
Die Kollegen vom Rangierdienst traten kurze Zeit später neben meinen Zug, mit welchem ich nun als Rangierfahrt in das besagte Gleis vorfuhr. Nachdem ich mit meinem Zug komplett an den Kollegen vorbeigefahren war funkten mich diese an, dass ich halten könne: Es gab zwar einen Wagen, welcher "klopfte", dessen Flachstelle sei allerdings noch absolut im Normbereich. Kurze Zeit später erklang aus dem Zugfunk der Auftrag "Rückwärts Kommen!", so dass ich wieder in mein Ankunftsgleis rangierte.
Die zusätzlich entstandene Verspätung war zwar nicht unbedingt "schön", aber die Sicherheit genießt bei der Bahn immer noch und weiterhin höchste Priorität.
Aufnahmedatum: Dienstag, 16. Februar 2021 - 11:43 Uhr
Burkhard Jährling 16/03/2021 23:26
Sehr interessant in Bild und Wort.VG Burkhard
makna 16/03/2021 12:29
Sehr gut dargestellt, dass Sicherheit Vorrang vor Pünktlichkeit hat !Denn es heißt ja: Ankommen ... nicht unterwegs "Abheben" ... :-(
BG Manfred