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. . . dem Enz seine Zeit (3)

. . . dem Enz seine Zeit (3)

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Neydhart von Gmunden


Premium (Basic), Hamburg

. . . dem Enz seine Zeit (3)

Und ich habe auch gelernt, dass man für das Leben eines an Demenz
erkrankten Menschen neue Maßstäbe braucht. Wenn mein Vater sich
bedanken möchte, soll er sich bedanken, auch ohne nachvollziehbaren
Anlass, und wenn er sich darüber beklagen will, dass ihn alle Welt im Stich
lässt, soll er sich beklagen, egal, ob seine Einschätzung in der Welt der
Fakten standhalten kann oder nicht. Für ihn gibt es keine Welt außerhalb
der Demenz.
Als Angehöriger kann ich deshalb nur versuchen, die Bitterkeit des Ganzen
ein wenig zu lindern, indem ich die durcheinandergeratene Wirklichkeit des
Kranken gelten lasse.

Da mein Vater nicht mehr über die Brücke in meine Welt gelangen kann,
muss ich hinüber zu ihm. Dort drüben, innerhalb der Grenzen seiner
geistigen Verfassung, jenseits unserer auf Sachlichkeit und Zielstrebigkeit
ausgelegten Gesellschaft, ist er noch immer ein beachtlicher Mensch,
und wenn auch nach allgemeinen Maßstäben nicht immer ganz vernünftig,
so doch irgendwie brillant.

Eine Katze streift durch den Garten. Der Vater sagt: »Früher hatte ich auch
Katzen, nicht gerade für mich allein, aber als Teilhaber. «
Und einmal, als ich ihn frage, wie es ihm gehe, antwortet er:
»Es geschehen keine Wunder, aber Zeichen.«
Und dann ansatzlos Sätze, so unwahrscheinlich und schwebend, wie
sie einem manchmal in Träumen kommen: »Das Leben ist ohne Probleme
auch nicht leichter.«

Zitat aus: Der alte König in seinem Exil (Arno Geiger)
Ein hervorragendes Buch über demEnz

Comentarios 8

  • le-Lys 29/04/2018 22:53

    Die Gedanken des Vaters zeugen von Tiefgründigkeit. Als 'Nicht-Betroffener' die Schritte über die Brücke zu tun, erscheint ein 'gangbarer' Ansatz; wir müssen uns ebenfalls eingestehen - wir sind mitnichten realistischer.
  • † werner weis 10/01/2012 14:38



    hier bricht etwas ein und
    wird dabei aber bunter und größer

    ich lese das Bildwerk von links nach rechts

    größer geworden wird es auch undefinierter -
    wie kann man diese Art von bunt, größer und offener

    ins Positive lenken

    -----------------------------------------------------------------------------

    was hier ästhetisch gelingt - könnte es sich in einem
    anderem aber fröhlichen Miteinander konkretisieren?
  • Kerstin Stolzenburg 13/10/2011 11:41

    Habe das Bild bereits vor ein paar Tagen geöffnet und den Text dazu gelesen. Es hat mich derart berührt, dass ich keine Worte fand, um das Gefühl auszudrücken.
    Bislang habe ich nur gelesen, gesehen, gehört von und über diese Krankheit ... persönlich musste ich ihr noch nicht begegnen. Aber dein Bild drückt aus, wie ich sie mir vorstelle. Wenn sich das Voting bezüglich der fc-Galerie nicht durch Oberflächlichkeit auszeichnen würde, hätte ich die Aufnahme gern für die Galerie vorgeschlagen...
    Eine Überlegung zur Bearbeitung lässte mich noch nicht los: Der Schnitt zwischen realer Welt und der 'anderen' Welt erscheint mir in diesem Kontext zu glatt. Wäre hier nicht ein Ineinanderwachsen eine Option?

    LG. Kerstin
  • † Foto-Volker 12/10/2011 9:02

    Die Betroffenen merken nichts von ihrer Krankheit. Betroffen sind die Angehörigen.
    VG Volker
  • -ansichtssache- 07/10/2011 22:30

    Deine fotografische und natürlich auch gedankliche Auseinandersetzung mit dem Thema der Demenz berührt mich sehr. Eine Brücke schlagen von der einen zur anderen Welt - von unserer Wirklichkeit zu der des Kranken, um sich dort zu begegnen, wo Menschlichkeit und Zuwendung sind, wo es immer noch Gefühle gibt. Ein schönes Bild und ein lohnender Weg.
    lg Danny
  • Sylvia R. 07/10/2011 21:21

    Da wünsch ich dir viel Kraft. Kann das Problem nachvollziehen, hab es auch gerade in der Familie...es fängt so schleichend an...
    LG Sylvia
  • christine frick 07/10/2011 21:19

    Von der realen in eine sureale Welt, das ist passend interpretiert. Ich mag deine Serie.
    LG Chris