(033) Fernweh
Ich stehe im Bahnhof, am Bahnsteig, einem Symbol der beginnenden Freiheit, dem Tor zur Welt, einem Hafen gleich, jedoch gibt es im Binnenland keinen Hafen. Der Geruch der Ferne steigt in mir auf und ich weiß, ich kann es hier nicht riechen. Seeluft, Salz und Wind, der Schrei der Möwen, ja, das könnte ich erfassen, könnte es als den Ruf der Ferne körperlich aufnehmen. Hier nehme ich nichts auf, außer dem stechenden Uringeruch am Bahnsteig.
Ich gehe zurück, durchquere die Wartehalle. Eine leere Halle, trostlos, Warten kann hier nicht angenehm sein, der letzte Rest des Fernwehs stirbt hier.
Vereinzelt betreten Menschen die Wartehalle um sofort die Flucht anzutreten. Hierhin kommt keiner zu früh, weil das Warten in diesem Raum die Illusionen tötet. Auch ich gehe, flüchte. Meine Suche, meine Wanderung, wird gewiss nicht an einem Bahnhof sterben, verscharrt in einem Grab des unbekannten Wanderers.
Früher, in meiner Kindheit, waren Bahnhöfe ein Teil des pulsierenden Lebens. Es gab immer ein Cafe, einen Ort der Ruhe, in dem sich Reisende oder Wartende für ihren weiteren Weg stärken konnten. Heute gibt es das nicht mehr. Bahnhöfe sind beerdigt und tot. Ich habe Sehnsucht nach Ferne und Espresso. Beides kann ich hier nicht befriedigen.
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Michael K. Trout 24/10/2005 21:28
Mich begeistert, wie sehr Ihr in diese Trostlosigkeit des Bahnhofs durch Bild und Text einsteigt. Wundervoll und emotional.Grüße, Michael
† Ute Allendoerfer 24/10/2005 19:57
Der Bahnhof in St. Goarshausen sieht genauso aus, ein Abziehbild, vom Abziehbild, vom Abziehbild. Leider, und deshalb fahre ich nicht mit der Bahn, lieber stehe ich im Stau, oder ich fahre mitten in der Nacht weg, um dem zu entgehen. Aber keine Bahn.In Koblenz der Bahnhof ist noch ganz ansehnlich, aber auch nur um auf Besuch zu warten, nicht um die Bahn zu nutzen.
Butow Maler 24/10/2005 15:57
Ich stimme Dir zu. Bahnfahren macht keinen Spaßmehr, befriedigt auch meine Lust nicht mehr in dem
Maße, wie es das noch vor zehn Jahren tat.
Es sind nicht nur die Bahnhöfe. Es sind auch die
Automaten, an denen ich mittlerweile die Karten
kaufen kann und es sind die Maschinenzüge, in
denen es nur noch schwer möglich ist, eine zufällige
nette Reisebekanntschaft zu machen.
Michael K. Trout 24/10/2005 15:23
Danke für die Anmerkungen!Ich habe ein Bonus-Bild eingestellt, eines, das mir die Spaßbremse Bahnhof so sehr bewußt gemacht hat.
Grüße, Michael
Rina H. 24/10/2005 13:54
Der letzte Rest des fernwehs stirbt hier... Text passt mal wieder perfekt zum Foto !Gruss Rina
Tina Media 24/10/2005 11:31
Deine Beschreibung vom Bahnhof, ich spüre regelrecht die Einsamkeit.das Bild perfekt passend.
Ich habe Sehnsucht nach Ferne und Espresso und beides werde ich befriedigen ...
ich fahre bald weg ... leider mit der Bahn
Flughäfen finde ich viel besser.
lg tina
EM. G. 24/10/2005 11:07
in frankfurt gibt es noch diesen wundervollen brezelstand mit frischen, warmen brezeln*heul* will ich jetzt haben......und sitz in tasmanien....kein mensch weiß ier, was laugengebäck ist!! lg m.