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LONDON BC (Before Corona) - 92 - Staple Inn - Holborn

LONDON BC (Before Corona) - 92 - Staple Inn - Holborn

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LONDON BC (Before Corona) - 92 - Staple Inn - Holborn


"Oh, wie schön... Und so richtig mittelalterlich!"

Ja, "schön" schon. Aber "mittelalterlich" leider nicht.
Mittelalterliche Fachwerkbauten sind nämlich in London eher selten.
Genauer gesagt: Es gibt gar keine. Was mal war, wurde 1666 im Great Fire zum Opfer
der Flammen, oder spätestens um 1900 zum Opfer der Planungsbürokraten.

Aber immerhin - STAPLE INN wurde 1585 am Rand der City gebaut,
also knapp 100 Jahre nach dem Austrudeln des Mittelalters.
Und wer diesen Anblick in sich aufnimmt und kurz die Augen schließt,
kann es vielleicht sehen: DAS LONDON DER SHAKESPEARE ZEIT!
Ja, SO etwa hat es ausgesehen mit seinen engen Gassen, geduckten Häusern
und verwinkelten Höfen. Aber häufig kleiner, dreckiger, armseliger als STAPLE INN.
BauRezept: Kaum Stein, dafür Lehm, Stroh und Holz. Und noch mehr Holz....

Und der Name? Staple... Wurde da mal was gestapelt?
Ja, im Mittelalter wurden hier große Ballen Wolle gewogen und gestapelt,
bevor sie in die (spanischen) Niederlande verschifft wurden.
Und "Inn"? Das sind doch Tavernen, Kneipen. Stimmt.
Aber auch juristische Ausbildungsstätten, hevorgegangen aus den Inns,
(eine solche Taverne folgte auf das Wolllager), wo man sich traf, Nachrichten austauschte
und Prozesse vorbereitete. Bis man schließlich die Location kaufte und passend umbaute.

Vorschlag - setzen wir uns doch in einen Bus der Linie 46 auf's Oberdeck
und genießen von dort aus das Fachwerkspektakel.
Auf Augenhöhe mit den oberen Stockwerken, "which lean out slightly drunkenly"...
Doch da der Bus nicht ewig stehenbleibt, ist unser Logenblick auf die Geschichte
alsbald wieder Vergangenheit. Da hilft nur eins: Beim nächsten Halt eilig nach unten turnen,
rausspringen und durch Krach und Gestank die letzten 100 Meter zurückhoppeln.

Doch es lohnt sich.
Kaum haben wir der Straße den Rücken gekehrt und das Rundbogentor der Inn durchquert,
liegt vor uns einer der größten, schönsten und ruhigsten Inn(en)Höfe Londons:
Buckelpflaster ("flagstones"), hohe Laubbäume, Sitzbänke und viel Augenfutter - eine Oase im Häusermeer...
Erst nach und nach entdeckt man das eine oder andere historische Detail,
last not least diese kleine Pforte in den rückwärtigen Garten - noch ruhiger als Hof selbst!
Zeit für das Buch, die Stulle, ein bisschen Geplauder. Oder mal gar nichts tun...

Apropos Ruhe.
Verkehrs- und Straßenlärm waren auch in der "guten alten Zeit" ein leidiges Thema.
Die Erfahrung aller Lärmgeplagten, die nach dem Krach da draußen
den Inner Courtyard bestaunen, beschreibt Dickens geradezu poetisch:
"It's the sensation of velvet soles on the boots"...
...Samtsohlen unter den Stiefeln? Wie schön!

Comentarios 65

  • bildlich 28/09/2021 18:59

    Ein kleiner, feiner T(r)ipp nach London ; )
    lg claudia
    • wagner-wiewerwas 28/09/2021 21:18

      Danke, Claudia, für die Anerkennung. Vielleicht findest du in meiner Serie ja ein ganzes Trip-Tychon für London... :-)))
      Herzlich
      Dieter
    • bildlich 29/09/2021 10:00

      Du hast es absolut verstanden ; ))  Nichts würde ich lieber tun, als auf deinen Pfaden durch London zu streifen!!!!!!
      lg claudia
  • wagner-wiewerwas 05/06/2021 14:00

    Apropos Potsdam und Caecilienhof - vielleicht hat ja der olle Churchill hier mal
    nach dem Rechten geschaut, kann sein. Aber bestimmt ohne Stalin...  :-)))
  • reinhard hueter 05/06/2021 11:44

    Dieses Bild erinnert mich etwas an den Potsdamer Caecilienhof mit seinem Landhausstil und den 70 Kaminzuegen. Very british !
    Deine historischen Schilderungen sind sehr interessant !
    Gruß von Reinhard
  • n i n a 25/05/2021 17:05

    wunderbar!
    ich liebe das englische fachwerk!
    und deinen kleinen reisetip auch wieder :-)

    lg nina
  • Ca 500000 m 19/05/2021 15:24

    Dein Bild, die Perspektive lädt ein, neugierig wie ich bin habe ich mal im Internet erst Wiki, dann Streetview und war leicht entsetzt, genauer gesagt ohne dein Bild und den Text würde ich London, wenn man denn wieder darf, da glatt vorbeilaufen
    VG
    Heino
  • Stefan Strobl 18/05/2021 13:37

    Ein schönes Bild von diesen Häusern, die noch vor der Erfindung der Wasserwaage erbaut wurden.
    HG Stefan
    • wagner-wiewerwas 18/05/2021 15:03

      Ich glaub, Stefan,
      da sind wir zwei aus dem gleichen krummen Holz geschnitzt...

      Ich kenne genügend bewusstseinsgespaltene Zeitgenossen,
      die finden "krumm und schief" in ihrem Urlaub richtig gut
      ["Hach, was ist das romantisch hier...!!], aber zuhause
      meiden sie es wie der Teufel das Weihwasser.
    • Stefan Strobl 18/05/2021 16:01

      Nun, ich wollte das "Romantische" ansprechen und bin mir eigentlich sicher, dass die damaligen Baumeister sich schon zu helfen gewusst haben. Nur, Holz arbeitet halt und verzieht sich mit der Zeit. Meistens heißt es dann (auch für mich leider), das alte Graffel kommt weg. Und dann wird was Solides aus Beton hingestellt.
      Insofern bekommt das Bild für mich etwas von einer Oase und ist auch damit ein wunderbares Gegenüber zum Text, der ja auch eine Oase beschreibt.
    • wagner-wiewerwas 18/05/2021 18:19

      Als ich meinen Text zusammengestoppelt habe, hättest du mir
      über die Schulter schauen sollten, Stefan,  und mir vielleicht auch
      ein bisschen soufflieren sollen... wie zB den Begriff "Oase" -
      den ich jetzt gleich einfügen werde.

      Und die Bau-Meister? Ja, die haben ihren Namen verdient!
  • B.Hermann 17/05/2021 22:57

    Wie haben die Londoner ihre Gefache ausgebaut? Auch mit Lehm und Kuhmist?
    Die senkrechten Gefache kenne ich nur aus England. Eine interessante Bauweise.
    VG Bernd
    • wagner-wiewerwas 17/05/2021 23:40

      Ja, auch mit Lehm und Kuhmist.
      Das ist sozusagen die universelle Fw-Methode, Länder unabhängig.

      "Fachwerkhäuser" kennt man überall in GB, aber bes. in England,
      als "half-timbered houses", die Herstellungsmethode selber als "Wattle & Daub".

      Die "wattles" sind diese senkrechten Ständer, die auch "Staple Inn" und vielen anderen historischen Gebäude bis heute ihren unverkennbaren Charakter geben.
      Im Raum zw. zwei Ständern werden Zweige fixiert; als unerlässliches Haltegerüst
      für die von dir angesprochene Mischung aus Lehm und strohhaltigem Mist,
      den "Daub".
  • s. monreal 15/05/2021 21:09

    Schön und interessant. Vielen Dank!
    VG Stephan
  • andrea aplowski 15/05/2021 18:44

    Das ist ja ein Formenwirrwarr. Aber eine starke Wirkung. Sehr gut gefällt mir die leichten Schrägen im Fachwerk. Sehr spannend.
    lg andrea
    • wagner-wiewerwas 15/05/2021 22:57

      Danke, Andrea. Die starke Wirkung resultiert in meiner Wahrnehmung daraus,
      dass dieser "Formenwirrwarr" trotz allem eine unübersehbare Klarheit aufweist...
      Herzlich
      Dieter
  • Rullma 15/05/2021 15:32

    Ein wunderbarer Anblick eines Kleinods, das man dank deiner wieder meisterlichen Beschreibung und historischen Umrahmung besser einordnen und als Bild genießen kann.
    LG Marie
    • wagner-wiewerwas 15/05/2021 15:40

      "Ei, Frau Ullmann", würde man jetzt in Südhessen sagen,
      "Sie mache misch ja schamreedlisch!" (Schriftdeutsch: "schamrot") :-)))
      Herzlich
      Dieter
  • GwenDalina 15/05/2021 13:14

    Geschichtsträchtig, ein bisschen krumm und schief aber mit einer Menge Charme. Wie es wohl darin riecht? Fotos mit einer Geruchsaura, geht das? Wie dem auch sei, Dein herrliches S/W-Foto ist wieder einen Augenweide und obwohl die lärmende Straße unweit von diesem Ort zu sein scheint, strahlt dieses Foto eine fantastische Ruhe aus. Wunderbar!
    • wagner-wiewerwas 15/05/2021 15:34

      Danke für deine Wertschätzung, Gwenda!

      "Die lärmende Straße" zieht leider DIREKT an Staple Inn vorbei (und die Butzenscheiben in der historischen Fassade sind bestimmt nicht "noise proof"...).
      Von daher - - -  hätte dieses Foto eine "Geräuschaura" statt
      der gewünschten "Geruchsaura", dann würdest du dir die Ohren zuhalten!

      Aber wiegesagt: Der Innenhof... der bringt's...
  • Dorothee 9 15/05/2021 13:11

    Eine appetitmachende Reisetagbeschreibung (von dir?).... manche Frauen haben furchtbare laute klick-klack Absatzschuhe, anscheinend damals auch schon, und sie gehen immer in meiner Nähe extra laut !
    • wagner-wiewerwas 15/05/2021 15:19

      Liebe Dorothee, hiermit erkläre ich an demütiger Eidesstatt,
      diese und alle anderen Londoner "Reisetagsbeschreibungen"
      stammen WIRKLICH UND WAHRHAFTIG von mir.
      Besonders natürlich die Appetit Machenden...

      Der Straßenlärm früherer Jahrhunderte.... der ging nur
      zum kleinsten Teil auf die von dir verfemten Klick-Klacks zurück.

      Der meiste Krach kam durch die Hufe der Pferde, die eisernen Reifen
      der Wagenräder und das kollektive aggressive Gebrüll der Verkehrsteilnehmer,
      die auch "damals" schon stundenlang im Stau steckten.
      (Wer sich wirklich auf die London Bridge wagte - jahrhundertelang
      die einzige Themsebrücke - brauchte mindestens 1 geschlagene Stunde
      bis zum anderen Ufer... Mit Klackerabsätzen auch 2.)
    • Dorothee 9 15/05/2021 15:35

      :-))
  • xDreamer 14/05/2021 23:53

    Ein geschichtsträchtiger Ort bestens geschildert und bebildert!
    VG Detlef
    strange world
    strange world
    xDreamer
    • wagner-wiewerwas 15/05/2021 8:45

      "...geschichtsträchtig...." - was ein schönes, pralles Wort!
      Danke, Detlef, für's Wertschätzen.
  • Werner Buschette 14/05/2021 23:39

    Bild und Text wieder ausgezeichnet  !
    Liebe Grüsse Werner

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